2005: Stimmt nicht mehr

Das mittlerweile abgerissene Wiener Kinderheim „Stadt des Kindes“ des Architekten Anton Schweighofer war ein herausragendes Beispiel für pädagogische Architektur der 70er Jahre. Ausdrücklicher Anspruch des Komple­xes war es, mittels Verteilung der Baukörper, Offenheit des Gelän­des, Wohnstruktur, Asymmetrien und weitreichender Blickführun­gen die untergebrachten ‚Sozialwaisen‘ bereits auf architektoni­scher Ebene auf das ‚Leben in der Stadt‘ vorzubereiten, sie also qua Einschreibung des Raumes zu urbanen Subjekten zu erziehen. Die Kinder schrieben zurück: Außen- und Innenwände der 2002 verlassenen „Stadt des Kindes“ waren übersät von Graffiti – Kommentaren, Mitteilungen, Selbstbe­schreibungen, Tagebucheintragungen. Darüberhinaus fanden sich Spuren einer Zwischennutzung des Komplexes zur Unterbringung von Geflüchteten und ihrer integrativen Vorbereitung mit Deutsch-Sprachkursen.

In der Turnhalle des Heims bauten wir ein begehbares Modell zu Utopie und Scheitern von Bildung und Erziehung, indem wir die unter­schied­lichen Bereiche des Stadt-Komplexes auf die sich überlagernden Spielfelder kopierten. Über den Spielfeldlinien in unterschiedlichen Höhen gespannte Schnüre zwangen die Besucher zu ungewohnten Bewegungs­formen, um sich im Raum bewegen zu können. An den Schnü­ren hingen per Hand auf Transparent­folie kopierte Graffiti von den Wänden der ‚Stadt‘, deren Zusammenstellung einzelne Räume innerhalb des Modells erzeugte. Im Zentrum der Halle balancierte ein Gartenhaus, in dem die Schlüssel des gesamten Heims (mit einem Gesamtgewicht von über 20 kg) verschlossen waren. Ein Performer war Teil der Installation, scheiterte in regelmäßigen Abständen am korrekten Aufsagen der Jurybegründung für den Bau des Heims, deklinierte Grundbedürf­nisse an einer Tafel und protokollierte das Größenwachs­tum des Gartenhäuschens (immer 0).

„stimmt nicht mehr“ war Teil einer einwöchigen Bespielung des Komplexes durch das Stadt Theater Wien / Fritzpunkt mit dem Titel „In deinem Lager ist Österreich“. Die Arbeit wurde ebenfalls ausgewählt für den Wettbewerb „Utopie : Freiheit“, für dessen vierwöchige Ausstellung wir eine zweite Installation erarbeiteten, die ein archivarisches Modell der ersten darstellte und deren aus Schlüsseln gelegtes Spielfeld infolge der Bewegungen des Publikums durch den Raum über die Aussellungsdauer hinweg allmählich desintegrierte. Auch hier war ein die Veränderungen und Nicht-Veränderungen protokollierender Performer Teil des Arrangements.

Stimmt nicht mehr

Pädagogische Rauminstallation.

22. bis 29. September 2005,
Stadt des Kindes, Wien.

Im Rahmen von:
In deinem Lager ist Österreich.
Eine bewohnbare szenische Installation mit Hausordnung.

18. Oktober bis 4. November 2005,
WUK Projektraum, Wien.

Im Rahmen von:
Utopie : Freiheit